Grabdenk­mal des Dom­propstes Ferdinand von Pletten­berg

>Gottfried Laurenz Pictorius (Entwurf), Johann Wilhelm Gröninger (Ausführung, zugeschr.), 1712–1722, Baumberger Sandstein, Alabaster, 660 x 350 x 150 cm
Position im Dom
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Grabmal des Dompropstes Ferdinand von Plettenberg (Teil 1)

Das Grabdenkmal

Das hier thematisierte Objekt ist ein als Epitaph ausgeführtes Grabdenkmal im Stil des Spätbarock. Es befindet sich im St.-Paulus-Dom im sog. Johanneschor, dem Südarm des Ostquerhauses, neben der Orgel. Mit den Maßen 6,60 m x 3,50 m gehört es zu den größten Denkmälern der Kathedrale. Gefertigt wurde es im Auftrag des Domkapitels für den 1712 verstorbenen Dompropst Ferdinand von Plettenberg nach einem Entwurf von Gottfried Laurenz Pictorius. Vermutlich führte Johann Wilhelm Gröninger den Entwurf dann bis 1722 aus. Als Materialien wurden vor allem Sandstein und Alabaster für die zentrale Figurengruppe und das Reliefretabel – ein Altaraufsatz, bei dem sich die künstlerische Gestaltung plastisch aus der Fläche löst – genutzt. Auf der Frontseite des Sockels befindet sich eine Inschrift, die sowohl auf die dargestellten Szenen eingeht als auch auf den Verstorbenen. Auf dem Sockel freistehend ist eine Dreiergruppe zu sehen.

Christus wird dort in Gethsemane, also dem Garten, in dem er vor seiner Auslieferung betet, dargestellt, wobei ihm der rechte kniende Engel den Kelch hinhält und ihn der linke hinter ihm hockende Engel festhält, da Christus aus Todesangst auf die Knie zu fallen scheint. Auf dem dahinter befindlichen Reliefretabel sind zum einen die schlafenden Jünger und zum anderen die heranziehenden Soldaten zu sehen.

Die freistehende Gruppe und das Relief bilden also eine gemeinsame Darstellung der biblischen Erzählung vom Gebet Jesu in Gethsemane. Seitwärts des Reliefbildes sind dann Wappen aus Sandstein eingefügt. Die außen freistehenden Säulen zeigen auf der linken Seite die Opferung Isaaks und auf der rechten Seite die Aufrichtung der ehernen Schlange. Beide biblischen Szenen werden im Folgenden weiter erklärt. Im Giebel des Denkmals ist das Familienwappen der Familie von Plettenberg zu sehen und auf dem Giebel sitzen zwei allegorische (d.h. sinnbildliche) Frauenfiguren. Links mit Kreuz und Kelch, was für den Glauben steht und rechts mit einem Buch und Weihrauchfass, was für die Frömmigkeit steht.

Die Ölbergszene

Man kann vermuten, dass die hier dargestellte Ölbergszene dem Lukasevangelium entnommen ist. Nur dieser Evangelist erwähnt die Engel: „Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn“ (Lk 22,43). Umso besonderer die Zuordnung der Funktionen der Engel in dem Denkmal: Der Linke ergreift ihn stürzend und fängt ihn scheinbar auf. Der andere dagegen hält Jesus den Kelch hin, der für seinen Tod und seine Hingabe steht, um dessen Hinwegnahme er kurz zuvor bittet: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir!“ (Lk 22,42). Außerdem weist der rechte Engel auf das göttliche Licht, welches vom Himmel fällt. Die Lichtstrahlen stehen an dieser Stelle für den Willen Gottes.
Damit verleiht Pictorius, von dem der Entwurf stammt, den Engeln Aufgaben sowohl unterstützender Art als auch stürzender Art, die der Evangelist so nicht ausführt.

Die restlichen Darstellungen vom Einschlafen der Jünger und dem Heraneilen der Soldaten sind in allen Evangelien erwähnt.
Spannend ist bezüglich dieser Hauptszene auch, dass die lateinische Grabinschrift zunächst von der Todesangst Christi spricht und dann erst von dem Toten selbst. Dies lässt sich damit begründen, dass es in der Barockzeit sog. „Todesangstbruderschaften“ gab, die 1648 vom Jesuitengeneral V. Caraffa in Rom begründet wurden und sich großer Beliebtheit erfreuten. Durch den Sakramentenempfang, Andachten und Feste wollten sie um eine gute Todesstunde beten. Die Auswahl der Darstellung lässt sich dadurch wahrscheinlich auch begründen.

Epitaph des Ferdinand von Plettenberg, Gottfried Laurenz Pictorius (Entwurf), Johann Wilhelm Gröninger (Ausführung, zugeschr.), 1712–1722, Baumberger Sandstein, Alabaster, 660 x 350 x 150 cm, © Stephan Kube, Greven
Epitaph des Ferdinand von Plettenberg, Gottfried Laurenz Pictorius (Entwurf), Johann Wilhelm Gröninger (Ausführung, zugeschr.), 1712–1722, Baumberger Sandstein, Alabaster, 660 x 350 x 150 cm, Detail der rechten Säule © Stephan Kube, Greven

Die alttestament­lichen Darstellungen

Auf der linken Säule befindet sich die Darstellung von der (Nicht-)Opferung des Isaaks (vgl. Gen 22,1–14). Die Erzählung besagt, dass Gott von Abraham als Opfer seinen einzigen Sohn Isaak wollte. Dieser habe sich bereit erklärt, Isaak zu opfern und alles dafür vorbereitet. Im letzten Moment vor der Opferung schritt Gott ein und verhinderte die Opferung.

Auf der rechten Seite befindet sich die Darstellung von der Aufrichtung der Schlange (vgl. Num 21,4–9). Nach dem Murren der Israeliten in der Wüste (so handelt es sich hierbei auch um eine sog. Murrgeschichte, bei der das Volk gegen JHWH aufbegehrt) schickt Gott Schlangen, um die Israeliten zu bestrafen. Einige sterben dabei und so sagen sie zu Mose, er solle den Herrn um Vergebung zu bitten. Dieser befiehlt Mose, eine eherne (=bronzene) Schlange aufzustellen und alle, die zu ihr aufblicken, sollen erlöst werden. So wird diese Schlange (auch Nehuschtan genannt) zum Lebenssymbol für die Israeliten und sowohl Verweise auf die Erzählung im AT als auch der Bericht über eine bronzene Schlange als Kultobjekt im Jerusalemer Tempel betonen die Bedeutung dessen. Im Grabdenkmal ist die Darstellung der (Nicht-)Opferung des Isaaks auf der Seite der allegorischen (d. h. sinnbildlichen) Frauenfigur, die für den Glauben steht dargestellt.

Auf der Seite der Darstellung der Aufrichtung der Schlange befindet sich die Frauenfigur, welche die Frömmigkeit versinnbildlicht. Der Bildhauer verbindet also das Handeln des Abraham mit der Tugend des Glaubens und das Aufblicken zur Schlange mit der Tugend der Frömmigkeit.

Ziele des Miteinanders von alt- und neu­testament­lichen Darstellungen

Zunächst kann diese Überschrift auch als Frage verstanden werden. Was soll durch das Zusammenspiel der Gethsemaneszene mit der Darstellung der (Nicht-)Opferung des Isaaks und der Aufrichtung der Schlange in der Wüste gezeigt und ausgedrückt werden? Zwischen der Gethsemaneszene und der (Nicht-)Opferung des Isaaks lässt sich als Verbindungpunkt sicherlich das Opfer des jeweils einzigen Sohns ausmachen. Abraham will seinen Sohn opfern, weil Gott es verlangt und Gott lässt den Kelch nicht an Christus vorübergehen, um die Menschen zu erlösen.
Interessanter ist aber sicherlich der Zusammenhang der Darstellung des Gebets in Gethsemane und der Aufrichtung der Schlange in der Wüste. Beim Evangelisten Johannes finden wir einen Hinweis: „Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat“ (Joh 3,14–15). Jesus wird hierdurch zum neuen Lebenssymbol. Nicht mehr die Schlange verspricht das Leben, sondern Gott in seinem Sohn Jesus Christus. Im Grabdenkmal überragt es auch alle anderen Darstellungen an Größe.

Neben dieser Gegenüberstellung von alttestamentlicher und neutestamtlicher Rettungs- und Erlösungsgeschichte, die auch auf eine Ablösung des Vergangenen abzielt und vermutlich von den Künstlern beabsichtigt war, kann man die alttestamentlichen Darstellungen auch als Vorbilder verstehen. Außerdem bleibt als verbindende Aussage, dass Gott rettend in die Geschichte eingreift und damit dem Volk immer wieder ein Rettungsangebot macht. Um ein weiteres Beispiel für eine solche Darstellung zu nennen, kann die zur Domkammer gehörende Pestmedaille genannt werden, auf dessen Vorderseite die Aufrichtung der Schlange und auf dessen Rückseite die Kreuzigung dargestellt ist.

Zum Pestkreuz und zur Pestmedaille

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Grabmal des Dompropstes Ferdinand von Plettenberg (Teil 2)
Knappheide

Florian Knappheide

21 Jahre

Schon von früher Kindheit an bin ich sehr vertraut mit dem Münsteraner St.-Paulus-Dom und bin immer wieder begeistert von seiner künstlerischen und architektonischen Vielfalt. Von daher freute es mich, dass in diesem Semester ein Seminar zu den Kunstwerken des Doms im Kontext von „1700 Jahren jüdischem Leben in Deutschland“ angeboten wurde. In der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Objekten konnte ich viel Neues lernen, das wir Ihnen in dieser digitalen Ausstellung gerne vorstellen wollen.

Literaturhinweise

Geisberg, Max: Teil 7: Die Epitaphe. In: Geisberg, Max (Hg.): Die Stadt Münster. Der Dom (Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen Bd. 41, T. 5). Münster Westf. 1937, 278–281.

Koenen, Klaus: Nehuschtan. In: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet www.wibilex.de, 2009. Online unter: www.bibelwissenschaft.de

Luckhardt, Jochen: Gottfried Laurenz Pictorius (1663–1729). Entwurf für das Plettenberg-Epitaph im Dom zu Münster (Das Kunstwerk des Monats / Westfälisches Landesmuseum 1982, Januar). Münster 1982.

Rülander, Ulrike: Epitaph des Ferdinand von Plettenberg. In: Epking, Simone u. a. (Bearb.): Der Dom zu Münster. Bd. 2.1. Die Ausstattung (Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 26,2). Mainz 2004, 418–421.

van Gember, Veronica: Die eherne Schlange. Wilhelm Gröninger liest Exodus 3–4. In: Hiepel, Ludger; Hoeps, Reinhard u. a. (Hg.): Mose in Münster. Ein Reiseführer zu alttestamentlichen Kunstwerken. Paderborn 2018, 13–25.